Wabi Sabi? Wasabi?

Nein, Wabi Sabi kann man nicht essen, auch wenn es ganz ähnlich klingt wie Wasabi, diese beiden Dinge haben nichts gemeinsam, außer ihre japanische Herkunft. Das eine ist der grüne Verwandte unseres Meerrettichs, das andere ist eine Art Denkweise.

Das Konzept oder die Philosophie hinter Wabi Sabi geht natürlich viel tiefer als ich das hier ausführen kann und ist auch sehr mit in der japanischen Kultur verwurzelten Traditionen, Ansichten und Lebensweisen verbunden und somit für uns aus der westlichen Welt teilweise eher schwer verständlich, vereinfacht gesagt ist Wabi Sabi aber die Idee oder der Gedanke, Schönheit in jedem Aspekt der Einfachheit und Unvollkommenheit in der Natur zu finden. Es geht um die Ästhetik und die Wertschätzung der Dinge, die als unvollkommen, unbeständig und unvollständig gelten.

Konkreter kann man das vielleicht so erklären: Dinge, die von Maschinen in Fabriken auf Fließbändern hergestellt werden, sind „perfekt“, weil sie alle genau gleich aussehen, aber Dinge, die von Hand hergestellt werden, wie zum Beispiel handgeformtes und -glasiertes Keramik-Geschirr oder Dinge aus der Natur, wie beispielsweise die frühlingsfrischen Blätter an einem Baum (auch die schnell hingezeichneten Linien im Bild oben gehören in diese Kategorie) sind „unvollkommen“, da sie alle verschiedene kleine Abweichungen in Form und Farbe haben. Genau diese kleinen Unvollkommenheiten verleihen ihnen ihre Schönheit und Seele.

Das Gleiche gilt für Menschen. Es ist die Kombination aus all unseren Unvollkommenheiten, die uns verletzlich und schön macht.

Auch in meiner Arbeit findet sich die Idee von Wabi Sabi wieder, darum war ich gleich von Anfang an von diesem Begriff fasziniert. Jeder von Hand gemachte Druck weicht ein klein wenig vom vorherigen ab, auf jedem Blatt Papier findet man unterschiedliche kleine, unvollkommene Stellen im Druckbild und genau diese Stellen prägen den einzigartigen Charakter der handgedruckten Linolschnitte.

Bei jedem neuen Blatt Papier, das ich von der eingefärbten Linolplatte abziehe, denke ich: das ist mein Lieblingsdruck aus der Serie, bis ich dann den nächsten Druck anfertige und auch da genau das gleiche denke. Oft kann ich mich am Ende nicht entscheiden, welchen ich am schönsten finde.

Wabi Sabi beschreibt die Akzeptanz der Fehler und erlaubt es, toleranter und offener zu sein, die Schönheit von Fehlern und Rohheit anzunehmen. Zusammengefasst kann man Wabi Sabi also als eine Art und Weise beschreiben, die Dinge wahrzunehmen und wertzuschätzen.

Der Betrachter wird dazu eingeladen, die kleinen Dinge des alltäglichen Lebens neu zu entdecken und so die Schönheit des Unauffälligen und leicht zu Übersehenden in der Natur zu erkennen. Ganz im Hier und Jetzt nimmt unperfekte Einfachheit eine neue Bedeutung an und wird zur Grundlage eines neuen, organischen und individuellen Schönheitsideals.

Hört sich gut an, oder nicht? Ich finde, jeder braucht ein bisschen Wabi Sabi in seinem Leben. Lass‘ uns doch gleich heute damit anfangen, unsere ganz eigenen Unvollkommenheiten als Teil von uns zu akzeptieren, einen neuen Blick fürs Wesentliche zu bekommen und dieses wertzuschätzen.

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