Ein kritischer Blick einer Designerin auf Künstliche Intelligenz im Design-Alltag
Künstliche Intelligenz – das klingt nach Zukunft, nach Effizienz, nach unbegrenzter Kreativität auf Knopfdruck. Aber auch nach Kontrollverlust, Urheberrechtschaos und der leisen Frage: Wer bin ich als Designerin noch, wenn ein Algorithmus meine Arbeit übernimmt? Bin ich und meine Arbeit so leicht zu ersetzen?
Ich möchte hier nicht jubeln oder verteufeln. Stattdessen lade ich Dich ein, gemeinsam einen ehrlichen Blick auf die Vor- und Nachteile von KI im Grafikdesign zu werfen. Denn als Kreative stehen wir vor einer Zeitenwende, und die Entscheidung „to KI or not to KI“ ist nicht nur technologisch, sondern auch ethisch und emotional.
Was KI (vermeintlich) alles kann
Schnelligkeit und Effizienz
KI-Tools wie Adobe Firefly, Midjourney oder DALL·E generieren in Sekunden Bilder, die früher Stunden oder Tage gebraucht hätten. Ideen lassen sich rasend schnell visualisieren – perfekt für Moodboards, Pitch-Präsentationen oder schnelle Prototypen.
Quelle: Adobe über Firefly
Inspiration und Ideenfindung
Du steckst fest? Kein Problem, die KI spuckt dir auf Zuruf Texte und zig Bild-Variationen aus – von „Logo für veganes Katzenfutter in Art-déco-Ästhetik“ bis „Headerbild für ein Retro-Gaming-Blog“. Manchmal bringt sie dich auf Gedanken, auf die du alleine nicht so schnell gekommen wärst.
Demokratisierung von Design
Für Menschen ohne Ausbildung oder Budget öffnet KI den Zugang zu Gestaltung. Das kann empowernd sein, gerade für kleine Start-ups oder Soloselbstständige. Aber – und das ist ein Punkt, den ich kaum laut genug sagen kann – nur weil jemand mit einer KI ein Bild generiert, ist er oder sie noch lange kein:e Designer:in.
Design ist kein Klick auf „Varianten erstellen“. Es ist ein Handwerk. Ein Prozess. Eine Haltung. Es braucht Ausbildung, Erfahrung, Verständnis für Typografie, Farbe, Form, Dramaturgie, Kommunikation, Zielgruppen, Medienlogik – und manchmal auch Bauchgefühl.
Oder um es mit Picasso zu sagen:
„Learn the rules like a pro, so you can break them like an artist.“
Und genau hier liegt der Unterschied. KI kennt die Regeln nicht. Und sie bricht sie auch nicht bewusst. Sie kombiniert – aber sie versteht nicht.
Design ist nicht nur die Oberfläche. Es ist Inhalt, Funktion, Bedeutung.
Was KI eben nicht kann
Urheberrechtsproblematik
Viele KI-Systeme sind auf Millionen von Bildern trainiert – meist ohne Zustimmung der Urheber:innen. Wenn ich eine KI benutze, nutze ich indirekt vielleicht das Werk einer Kollegin, die nie gefragt und natürlich für ihre Arbeit auch nicht vergütet wurde.
Quelle: Tagesschau: Urheberrecht und KI
Austauschbarkeit und Einheitslook
KI-Bilder wirken oft beeindruckend, ja. Aber sie ähneln sich. Sie wiederholen Muster. Es entsteht ein Einheitslook, der zwar „funktioniert“, aber selten Tiefe oder Persönlichkeit hat. Und genau da liegt unsere Stärke als Designer:innen.
Zu einem ähnlichen Thema habe ich übrigens auch schon mal einen kleinen Beitrag geschrieben, den gibt’s hier zu lesen.
Verlust der gestalterischen Handschrift
Wenn die KI entwirft, wer spricht dann noch mit den Kund:innen? Wer übersetzt ihre Vision in eine grafische Sprache, die trägt, die berührt, die erinnert? Eine KI kennt keine Zielgruppe, keinen kulturellen Kontext, keine Zwischentöne.
„KI kann keine Haltung haben. Design aber schon.“ Erik Spiekermann
Design ist mehr als Bildgenerierung. Es ist Kommunikation, Kulturarbeit, Verantwortung. Und genau das macht unseren Beruf so wertvoll – auch (und gerade) in Zeiten der KI.
Und last but not least: Der grüne Elefant im Raum – Ressourcenverbrauch
Was immer mehr unter den Tisch fällt bei der ganzen Diskussion um KI (zumindest in meiner Wahrnehmung) ist, dass KI kein Wunderding aus dem luftleeren Raum ist. Sie braucht Rechenpower – und zwar gewaltig.
Jede Anfrage bei ChatGPT und Co. kostet aktuell zwischen drei und neun Wattstunden Strom und ca. einen halben Liter Wasser.
Quelle: https://blog.enviam.de/wieviel-strom-verbraucht-kuenstliche-intelligenz/
Und das Training eines großen Sprachmodells wie GPT-3, verursacht laut einer Studie der Universität von Massachusetts Amherst über 284 Tonnen CO₂ – das entspricht etwa 125 Flügen von Berlin nach New York.
Quelle: Strubell et al., 2019 – Energy and Policy Considerations for Deep Learning
In einer Zeit, in der wir über Nachhaltigkeit, CO₂-Fußabdruck und ressourcenschonende Gestaltung sprechen, kann ich das nicht einfach ignorieren. KI frisst Energie. Und das im Tausch für Designs, die oft nicht mal verwendet werden.
Also, was jetzt? To KI or not to KI?
Ich sage: Ja, aber mit Haltung.
Ich bin nicht gegen KI. Aber ich bin gegen blinde Euphorie. Für mich ist KI maximal ein Werkzeug, dessen Einsatz jedes Mal aufs Neue genau geprüft werden sollte, in keinem Fall ein kompletter Ersatz. Sie kann Routinearbeiten erleichtern – aber sie sollte niemals das Denken, das Fühlen und die gestalterische Verantwortung ersetzen.
Ich nutze KI, wo sie mir hilft, z. B. beim Formulieren von Texten (das kann ich wirklich nicht gut, und ja, auch bei diesem Text hat ChatGPT ein bisschen nachgeholfen 🥴). Aber ich sage auch bewusst Nein, wenn ich merke, dass es echte Empathie, echte Ideen, echtes Handwerk braucht.
Vielleicht geht es in Wahrheit auch eher darum, wofür wir als Designer:innen stehen wollen? Für perfekte Pixel? Oder für bedeutungsvolle Gestaltung?
Wenn Du magst, teile mir gern mit, wie Du mit KI im kreativen Alltag umgehst – ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen!
Foto: InfiniteFlow – stock.adobe.com